Freitag, 14. Juli 2006
Der Muskelkater hat sich gelohnt fuer den Huangshan
Oh man, ich habe den Muskelkater meines Lebens. Kann mich kaum bewegen geschweige denn Treppensteigen. Da fragt man sich dann zwangslaeufig, wieso man so eine Tour macht und nicht wie die anderen Touris einfach die Seilbahn nimmt oder einfach eine Pauschalreise zum Strand bucht. Ich muss sagen, ich weiss es nicht. Ich nehme an, es liegt daran, dass man dann das Erreichte mehr geniesse kann, auch wenn es mit einem 1-woechigen Muskelkater verbunden ist. Jedenfalls werde ich heute meinen Kollegen weiter die Ohren zuheulen und belustige Blicke ernten, wenn ich im John-Wayne-Stil herumlaufen.
AmFreitag Abend sind Kim und ich direkt nach der Arbeit mit 431 Sachen im Maglev zum Flughafen geduest (endlich bin auch mal Maglev gefahren) und dann ohne Verspaetung innerhalb 50 Minuten in Tunxi gelandet.
Der Flughafen von Tunxi ist total klein und suess, liegt mitten in der Pampa und es landen und starten gerade 6 Flieger am Tag. Vor dem Gebaeude standen 10 Taxis, ein paar Busse und ein paar lokale Leute. Wir hoerten nur die Grillen zirpen und die Unterhaltungen der Leute, die Muecken umschwirrten uns hungrig und das einzige Licht kam vom Flughafen selber. Dieses sehr Laendliche beunruhigte uns ein bisschen, muss ich ehrlich gestehen und wir fragten uns ernsthaft, in welcher gottverlassenen Gegend wir gelandet waren. Wir schnappten uns dann schnell ein Taxi, das bei 5 Yuen anfing und in 20 Jiao Schritten zaehlte (in Shanghai faengt es bei 11 an und zaehlt in 1,20 Yuen Schritten hoch…) und der Taxifahrer handelte einen Gesamtpreis von 15 Yuen mit uns aus und war darueber total gluecklich.
Wir waren echt auf dem Land gelandet, obwohl Tunxi eine Einwohnerzahl von 1,5 Millionen hat.
Nach ca. 15 min erreichten wir sicher das Hostel und wir gingen dann auch recht frueh ins Bett, weil wir am naechsten Tag den Berg hochsteigen wollten.
Ganz kurz zum Huangshan: Uebersetzt heisst das „Gelber Berg“ und er ist einer der heiligen Berge Chinas. Der 1800er liegt in der Anhui-Provinz (sued-westlich von Shanghai) und ist wegen seiner Natur, den bizarren Felsformationen, dem Wolkenmeer und dem Sonnenaufgang in ganz China beruehmt. Er zaehlt mit der Grossen Mauer, Guilin und der Verbotenen Stadt zu den meistbesuchtesten Orten hier...ich habe auch schon von Kollegen gehoert, dass es dort oben auf dem Berg manchmal recht eng werden koennte. So ganz vorstellen konnte ich mir das nicht, da der Huangshan immer noch ein 1800-Meter-Berg ist und es mit einiger Anstrengung verbunden ist, auf den Gipfel zu kommen, was viele abschrecken sollte. Leider habe ich mich geirrt.
Morgens nach einem chinesischen Fruehstueck bestehend aus Buns, Dumplings und Obst sind wir mit einem Shuttlebus 1 ½ Stunden an den Fuss den Berges gefahren worden. Von da aus mussten wir in einen weiteren Bus umsteigen, der uns ueber eine enge und kurvige Strasse an den Eingang der „Scenery Area“ gebracht hat. Wir holten unsere Eintrittstickets und dann gings es los.
Man konnte entwerde eine Gondelbahn benutzen oder den Berg ueber Treppen erklimmen. Wir haben uns natuerlich fuer die Treppen entschieden. Aber nach einer Stunde ununterbrochener Stufen, die steil den Hang hinauffuehrten, bereuten wir unsere Wahl doch ein bisschen. Wir hatten echt nur eine kleinen Rucksack mit ein paar Klamotten zum Wechseln mit, aber die Dinger wurden dann nach einiger Zeit doch ziemlich schwer.
Aber was beschwere ich mich? Wirklich schwer hatten es die Lastentraeger, die alles, was die Touris in den Gipfelhotels benoetigen auf ihrem Ruecken hochschleppen. Ueber der Schulter liegt ein Bambusstab, an den an beiden Enden Pakete oder Eimer haengen. Es werden Ziegel, Nudeln, Bettwaesche, Blumen, Colaflaschen und was weiss ich noch alles den Berg hochgetragen. Alle paar Meter je nach Steilheit des Weges machen die Traeger Pause, stuetzen die Last auf ihren Wanderstab und schnappen nach Luft.
Besonders scheusslich war der Fleischtraeger, der bei 25 Grad 3 Stunden oder laenger das Fleisch den Berg hochgeschleppt hat. Sagen wir mal so, dass Fleisch hatte schon einen starken Eigengeruch, der einem in die Nase wehte, wenn man in die Naehe dieses Traegers kam. Brrrr, da wird man ja glatt zum Vegetarier, jedenfalls auf dem Huangshan.
Ein anderer Wanderer erzaehlte uns dann spaeter, dass die Traeger 15 Yuen fuer eine Tour bekommen...ein Teil wird wohl auch mit der Seilbahn hochgefahren, aber es ist wahrscheinlich guenstiger die Traeger anzuheuern.
Manche von den Touris lassen sich den Weg auch hochtragen. Ein Bambusstuhl ist an 2 Stangen befestigt, der jeweils vorne und hinten von einem Traeger auf den Schultern getragen wird. Naja, wer es mag...mir persoenlich waere die Sache zu unsicher.
Auf dem Weg nach oben begegeneten wir oefter einer Gruppe aus Malaysia, die mal uns ueberholten oder wir die, der Fleischtraeger war unser staendiger Begleiter (war immer ein Ansporn schneller als er zu laufen) und von oben kamen die Seilbahntouris heruntergehuepft und warfen uns neugierige Blicke zu.
Westler waren auf dem Huangshan nicht so ueblich, und anscheinend auch nicht welche, die die Treppen hochschnauften. Viel Blick fuer die Schoehnheit des Berges hatten wir da nicht gehabt, abgesehen davon sind wir hauptsaechlich durch Wald gegangen und konnten nur kurze Blicke auf den Berg erhaschen.
Am meisten haben mich die Schmetterlinge dort begeistert, von denen wir mehrere Arten in verschieden Farben und Formen gesehen haben. Und abgesehen von den schnatternden Touris war es auch relativ ruhig da und es gab frische Luft ohne Ende.
Oben angekommen, wo auch der Endpunkt der Seilbahn ist, war es mit der Ruhe vorbei... Tourigruppen mit den obligatorischen roten oder gelben Kappen sammelten sich um ihren ins Megaphon-bruellenden Guide, machten Fotos ohne Ende und kauften sich Essen im Shop neben der Seilbahnstation. Trotz Muedigkeit haben wir uns dann schnell auf den weg Richtung Hotel gemacht, das waren einfach zuviel Menschen auf einmal.
Den Berg muss man sich so vorstellen, dass er nicht aus einem Gipfel besteht, sondern insgesamt 72 hat, von denen die 3 hoechsten der Lotusblumen Gipfel, der Gipfel der himmlichen Hauptstadt und Gipfel des Strahlenden Lichts mit ueber 1800m die hoechsten sind. Man kann diese dann nach und nach Abwandern, in Schluchten gucken und dem Wolkenmeer zuschauen.
Das Hotel lag am noerdlichen Wolkenmeehr (Beihai) und somit recht nah zum oestlichen Aufgang, den wir bestiegen hatten. Dort oben gibt es mehrere Hotels (bestimmt 8 Stueck), die uebers Wochenende alle gut belegt sind, da alle Sonntagmorgen den Sonnenaufgang gucken moechten.
Nach einer Stunde im Zimmer herumgammeln, haben wir uns aufgemacht die Beihai Gegend zu erkunden. Wir sind auf den Loewengipfel gestiegen, haben den Affen-der-aufs-Meer-schaut (die Felsen sehen lustigerweise wirklich wie ein Affe aus) besucht und das Wolkenmeer betrachtet.
Der Tag war recht diesig und unter uns verschwanden in den Wolken die Seitengipfel des Huangshan, die wie Inseln im Wasser aussahen, und es wirkte so, als wuerde ein weisses Meer gegen den Berghang prallen. Auf den Felsen wuchsen Pinien in bizarren Formen und ueber verwunschen wirkende Wege und Treppen konnten man von einem Aussichtspunkt zum naechsten kommen. Super schoen.
Als es dann langsam dunkel wurde, fing Donnergrollen an und wir kehrten schnell ins Hotel zurueck, wo wir uns ein vegetarisches (!) Abendessen goennten. Man mag es nicht glauben, aber wir lagen dann um 20Uhr in unseren Betten und sind nach dem anstregenden Aufstieg ziemlich schnell weggeratzt (Trotz des Deutschlandsspiels...ich weiss, haette Schweini beim Toreschiessen gerne zugeguckt).
Die Sonne ging am naechsten Morgen um 5.13 Uhr auf (Waaaaaeh!). Um halb 5 haben wir uns aus den Betten gequaelt, warm eingepackt, weil es noch recht frisch war und sind dann mit unseren Taschenlampen Richting Loewengipfel gegangen.
War das ein Spektakel! Ueberall standen Menschen auf den Aussichtspunkten und den Gipfeln, draengten sich na an den Abgrund, um eine moeglichst guten Blick zu haben und hielten Kameras und Fotohandys bereit. Und die waren alle so laut. Argh. Wie kann man nur so einen Krach um halb 5 morgens machen?
Aber das Aufstehen und Pruegeln um eine guten Sichtplatz hat sich gelohnt.
Nachdem es die ganze Nacht geregnet hatte, war der Morgen ganz klar. Wir blickten direkt nach Osten, wo dann um 5.13 Uhr der Sonnenball glutrot am Horizont auftauchte und die Sonnenstrahlen brachen sich an den schroffen Felsgipfeln. Alle Leute um uns herum klatschen und jubelten, schon alleine sich dieses Theater anzuschauen, war das Aufstehen wert.:)))
Nach 20 Minuten ist der Grossteil wieder in den Hotels verschwunden und wir haben die Gelegenheit genutzt, zum Loewengipfel zu gehen und von dort aus den Morgen in Ruhe zu geniessen (es war auch ruhig, weil wahrscheinlich alle beim Fruehstueck waren und so keinen Krach machen konnten).
Irgendwann gegen 7 sind wir ins Hotel zurueckgekehrt und haben uns ein Fruehstueck bestehend aus Reismatsche (besteht aus Reis und Wasser, schmeckt ganz ok mit Zucker), Buns und anderer komischer Sachen reingezogen.
Nach etwas einer Stunde herumgammeln packten wir den Rucksack und auf gings zur Westseite des Berges, von wo wir 16km Treppen treppabwaerts wandern und dort eine Bus nach Tunxi nehmen wollten.
Auf dem Weg zu Westseite haben wir die grosse Schlucht besucht, den Lotusblumengipfel (1840m) und den Gipfel des Strahlenden Lichts bestiegen und den Fliegenden Stein besucht.
Das geniale dort oben ist, dass dort kaum etwas abgesperrt ist und man kann sehr nah an die Abgruende und runter gucken. An den Absperrungen haengen an bestimmten Stellen Schloesser mit eingravierten, verschlungenen Herzchen drauf. Es gibt die Legende, wenn ein Paar auf den Huangshan steigt und solch ein Schloss dort an eine Kette anbringt und den Schluessel in die Schlucht wirft, dann bleibt ihre Liebe ewig erhalten. Brrrr, ganz schoen kitschig, aber es gehoert irgendwie zum Huangshan dazu.
Theoretisch ist es super schoen dort oben herumzuwandern, durch den Wald zu spazieren und die ganzen Seitengipfel und Aussichtspunkte zu erkunden, aaaaaaaber es sind wie eben erwaehnt zu viele Menschen unterwegs.
Am Sonntag schienen es noch mehr geworden zu sein und alle bruellten und schnatterenden laut durcheinander. Das vermiesste uns manchmal den Genuss der ruhigen Bergwelt.
Am Mittag erreichten wir dann die Westseite und machten uns dann an den Abstieg. Inzwischen waren wieder Wolken aufgezogen, die Felsen und Baeume in Dunst einhuellten. Wunderschoen zum Anschauen und durch die Wolkenbewegungen ergaben sich immer wieder neue Bilder. Ich weiss nicht, wieviele Fotos wir von Wolken und Felsen gemacht haben, jedenfalls Unmengen. :)
Der Abstieg war echt hart, am Anfang ging das noch locker den Berg herunter, aber nach einer Zeit zitterten die Beine vor Anstrengung und die Knie tun weh (oh man, ich werde alt und merke die kleinen Zipperlein). Man muss die ganze Zeit voll konzentriert auf die Stufen achten und die Muskeln anspannen, da ein Fehltritt fatal waere (wegen der fehlenden Absperrungen). Die Gondeltouris huepfen munter an einem den Berg herunter und man faengt an, diese Weicheicher zu hassen, weil sie sich auch noch ueber einen lustig machen. Die sind bestimmt nicht um halb 5 aufgestanden und haben schon eine Megatour treppauf und treppab hinter sich.
Aber es sind auch viele nette Leute unterwegs und wir hatten einige interessante Unterhaltungen. Und viele waren auch auf uns total neugierg, riefen uns „Hello“ zu oder fragten, wo wir herkaemen oder ob wir muede waeren.
Die letzten 2 km die Treppen herunter waren die haertesten und wir waren einfach nur noch froh unten anzukommen und nie wieder eine Treppenstufe zu sehen.
Puenktlich, als wir im Bus nach Tunxi sassen, fing es an zu schuetten an und als wir in der Stadt ankamen, hoerte es wieder auf.
Das Wettertiming war an diesem Wochenende echt gut gewesen.
In einem kleinem Restaurant staerkten wir uns mit einer Nudelsuppe und dann fuhren wir auch schon zum Flughafen, um dann um 21.30 Uhr den Flug nach Shanghai zu nehmen.
Der Huangshan ist super schoen und der Ausflug dorthin hat sich echt gelohnt, weil die Landschaft dort wunderschoen ist und man eine Menge Natur und frische Luft mitbekommt. Allerdings hatte das ganze auch etwas von Disneyland-Atmosphaere. Nicht nur wegen der ganzen laermenden Touristen und der Hotels dort, es ist alles perfekt durchorgansiert, ueberall stehen Muelleimer und Muellsammler leeren den ganzen Tag die Eimer, die Hinweisschilder sind auf englisch und chinesisch, die Wege sind gut ausgebaut und man kann sich immer mit Trinken und Essen zu Disneyland-Preisen versorgen. Ich wuerde mich nicht wundern, wenn in 20 Jahren Rolltreppen den Huangshan hochgebaut werden...

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